Für die von den Kriegshandlungen stark betroffenen gesellschaftlichen Gruppen, wie Binnenvertriebene und ehemalige KriegsteilnehmerInnen, ist es, auf Grund bestehender Vorurteile in der Aufnahmegesellschaft sowie der eigenen Kriegserfahrungen, oftmals nicht leicht, am neuen bzw. alten-neuen Lebens- und Arbeitsort Fuß zu fassen und sich in die dortige Gesellschaft und Berufswelt zu re-integrieren. Besonders schwer ist dies, wenn zu den genannten Herausforderungen auch noch eine Abhängigkeitserkrankung, wie Alkohol- oder Drogensucht hinzukommt. Dann ist der Zugang zum Arbeitsmarkt zumeist komplett versperrt.
Hinzu kommen oftmals mangelnde Rehabilitations- und Re-Integrationsmöglichkeiten am neuen bzw. alten Wohnort. Die zunehmende Konkurrenz um den Erhalt eines Therapieplatzes zum Entzug ruft bei der lokalen Bevölkerung nicht selten Neid und Feindseligkeiten hervor, und zieht dementsprechende Spannungen und Konflikte zwischen den Aufnahmegemeinden, Binnenvertriebenen und ehemaligen Kriegsteilnehmern nach sich.
Auf diese Spannungen und möglichen Kriegsfolgekonflikte reagiert in Charkiw das Soziale Unternehmen „BabyLove“, das im September 207 vom Olexander Sinchalov, einem Teilnehmer unserer Schulungsreihe „Soziales Unternehmertum als Handlungsstrategie zivilgesellschaftlicher Akteure zur Bearbeitung und Prävention kriegsbedingter sozialökonomischer Konflikte“ gegründet wurde.
Olexander Sinchalov ist zugleich ehrenamtlicher Mitarbeiter des Rehabilitationszentrum für Abhängigkeitserkrankungen der NGO „Ausweg“ («Исход»). Er musste mit dem Kriegsbeginn 204 selbst aus Luhansk fliehen und kennt die Belange und Probleme von binnenvertriebenen Menschen daher sehr gut.
Die Nähwerkstatt „BabyLove“ beschäftigt nun ehemalige Patienten des Rehabilitationszentrum für Abhängigkeitserkrankungen der NGO „Ausweg“, darunter Binnengeflüchtete, ehemalige KriegsteilnehmerInnen und auch Einheimischen der Stadt Charkiw. Diese Beschäftigung ermöglicht ihnen die wirtschaftliche Re-Integration in die Gesellschaft und erleichtert den Binnenvertriebenen und ehemaligen Kriegsteilnehmern zudem die Re-Integration am neuen (alten) Wohnort. Zudem trägt die gemeinsame Arbeit zur Verständigung zwischen diesen Menschen bei und minimiert bestehende Kriegsfolgekonflikte.
Aktuell arbeiten in der Nähwerkstatt sechs ehemalige PatientInnen des Rehabilitationszentrums, darunter drei Binnengeflüchtete sowie drei MitarbeiterInnen aus der lokalen Bevölkerung. Gemeinsam produzieren sie innovative Tragetaschen für Babys, die von Olexander und seiner Frau Julia selbst entwickelt werden.
Die zweite soziale Komponente des Unternehmens „BabyLove“ besteht darin, dass ein Teil des Unternehmensgewinns an das Rehabilitationszentrum „Ausweg“ gespendet wird. Innerhalb von einem halben Jahr konnte die Nähwerkstatt auf diese Weise bereits 2300 Euro an das Rehabilitationszentrum der NGO „Ausweg“ spenden.
Im Rahmen unseres Projektes werden insgesamt vier ukrainischen Sozialen Unternehmen zur Konfliktnachsorge vom September 207 bis Juni 208 gegründet und in ihrer Anfangsphase von ExpertInnen fachlich bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit unterstützt. Die Unternehmenskonzepte haben die TeilnehmerInnen der Schulungsreihe „Soziales Unternehmertum als Handlungsstrategie zivilgesellschaftlicher Akteure zur Bearbeitung und Prävention kriegsbedingter sozialökonomischer Konflikte“ unter Anleitung und fachlicher Begleitung von ExpertInnen des Sozialen Unternehmertums, den TrainerInnen der Schulungsreihe, aus der Ukraine und Deutschland, entwickelt und realisiert.