Kriegsbedingte Traumata gemeinsam bewältigen – Zertifizierte Supervisionsausbildung für zivilgesellschaftlich engagierte Psychotherapeut_innen

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Die ukrainische Zivilgesellschaft hat viel dazu beigetragen, Hilfe für die vom bewaffneten Konflikt in der Ostukraine direkt oder indirekt betroffenen Menschen zu leisten. Unter anderem werden traumatherapeutische Behandlungen von engagierten Psycholog_innen ehrenamtlich durchgeführt. Die Helfer sind dadurch permanent mit schweren Schicksalen konfrontiert, die Arbeit ist herausfordernd und kräftezehrend. Die Folge sind zunehmende Burn-Out-Erkrankungen und Sekundärtraumatisierungen der Aktivist_innen.

Das Projekt „Kriegsfolgen gemeinsam überwinden“, das vom DRA, „Kraina vylnych ludej“ und fünf weiteren osteuropäischen und deutschen Partnerorganisationen durchgeführt wird, bietet eine eineinhalbjährige Supervisionsausbildung (klinische Supervision) für 9 zivilgesellschaftlich engagierte Psychotherapeuten_innen mit Erfahrung in der Traumarbeit mit Kriegsbetroffenen an. Ziel ist, damit die Zivilgesellschaft bei der Bewältigung der Folgen des Konfliktes in der Ostukraine zu unterstützen und zu professionalisieren.

Bei einer Supervision werden Teams, Gruppen oder Einzelpersonen durch den Supervisor professionell angeleitet, ihre Arbeit zu reflektieren und so ein höheres Maß an professioneller und persönlicher Selbsterkenntnis zu fördern.

Persönliche Ressourcen der Supervisanden werden erarbeitet. Dies ist insbesondere in einem Arbeitsfeld, indem das Erleben von Menschenrechtsverletzungen emotionale Herausforderungen darstellt, unabdingbar für den Erhalt psychischer Gesundheit. Durch Reflektieren der eigenen Resilienzfähigkeit und Distanzierungsfähigkeit wird Selbstfürsorge gestärkt und emotionale Stabilität gefördert. Die Arbeit gestaltet sich zufriedenstellender und die Gefahr eines Burnouts oder einer sekundären Traumatisierung verringert sich erheblich.

Supervision erfolgt durch eine Fachkraft, die nicht unmittelbar mit den Teilnehmer_innen der Supervisionssitzungen, den Supervisanden, zusammen arbeitet. Durch den Blick von außen werden Handlungsmöglichkeiten, Erklärungsmodelle und andere hilfreiche Umgangsformen mit den Belastungen deutlich. Durch die tägliche Arbeit der Supervisanden ist oftmals der Blickwinkel auf die Problematiken, die aus fachlicher Sicht mit dem Klientel verbunden sind, eingeschränkt und Wesentliches wird manchmal übersehen. Supervision soll Sichtweisen erweitern und die Vielfalt von Handlungsmöglichkeiten fördern.

Die Ausbildung wird durchgeführt von erfahrenen Dozent_innen des Berliner Zentrums Überleben (vormals Behandlungszentrums für Folteropfer (www.bzfo.de ). Das Zentrum verfügt über mehrjährige Erfahrung in der Arbeit mit Menschen, die Krieg, Flucht und Folter erlebt haben, in der Einrichtung arbeiten Psychologen, Sozialarbeiter, Ärzte, Kunst- und Musiktherapeuten interdisziplinär zusammen. Behandelt werden Kriegsflüchtlinge und Folterüberlebende. Seit der Gründung 992 führen die Mitarbeiter_innen des Zentrums außerdem Fortbildungen und Supervisionen in Krisenregionen durch. Schwerpunkte sind dabei Umgang mit Trauma, Trauer und Folgeerkrankungen nach Traumatisierung sowie Selbstfürsorge und Burn-Out-Prophylaxe.

Dozent_innen:

Nora Balke – Psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin, seit 2002 im Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin angestellt. Leiterin einer Supervisionsausbildung in Berlin, Trainerin in verschiedenen europäischen Ländern im Rahmen diverser EU- Projekte. Workshop zum Thema Supervision für Therapeuten und Sozialarbeiter, die mit GULAG-Überlebenden gearbeitet haben, in Dnepropetrovsk (im Rahmen eines Projektes der Stiftung „Verantwortung Erinnerung und Zukunft), Workshop zum Thema Intervention und Supervision für Therapeut_innen und Ärzte in Kiew im Rahmen eines EU-Projektes. Leiterin einer Supervisionsausbildung in Tbilisi 204-205.

Ton Haans arbeitete als klinischer Psychologe und Psychotherapeut von 976 bis 2003 in „Centrum ’45“ das holländische nationale Behandlungszentrum für politisch traumatisierte Personen. Er hat Erfahrung mit Überlebenden des Zweiten Weltkriegs, Veteranen und Flüchtlingen. Seit 2003 arbeitet er in einer eigenen Unterrichts- und Beratungsstelle. Haans ist Mitbegründer und Dozent der Supervisionsausbildung des Behandlungszentrums für Folteropfer (bzfo) in Berlin. Als Supervisor arbeitet er international für Ärzte ohne Grenzen und die War Trauma Foundation. In verschiedenen Nachkriegsgebieten in Afrika und Asien war er als Supervisor tätig. Diverse Publikationen zum Thema Supervision im interkulturellen und psychotraumatologischen Bereich.

Katharina Larondelle, Diplom-Pädagogin, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, Supervisorin, Psychodramatikerin und Traumatherapeutin. Arbeitete 28 Jahre in einem NGO-Beratungsprojekt gegen sexuelle Gewalt; Dozentin in der Supervisions-Ausbildung in Berlin und einer Supervisions- Ausbildung in Tbilisi 204-205. Zweijähriges Training in Rumänien zum Aufbau einer Beratungsstelle für Betroffene von sexueller Gewalt; arbeitete in Bulgarien zur Prävention von sexueller Gewalt und in Serbien zur Behandlung kriegstraumatisierten Kindern im Rahmen diverser EU Projekte.

Romy Brock – ist Gestalt-Organisationsberaterin und autorisierte Prozessberaterin für das Projekt „unternehmensWert:Mensch“; Diplom-Pädagogin; seit 2006 als freiberufliche Teamentwicklerin, Moderatorin und Coach vorranging im Non-Profit-Bereich tätig; außerdem tätig in Beratungsprojekten in London, Brüssel und Moskau.

Wer kann sich bewerben:

Wir laden engagierte Psychotherapeuten dazu ein, sich für die Ausbildung zu bewerben. Voraussetzung für die Auswahl ist, dass Sie bereits jetzt ehrenamtlich engagiert sind oder als Mitarbeiter_in einer NGO kostenlose therapeutische Hilfe anbieten.

Während und nach der Ausbildung erwarten wir von Ihnen, ehrenamtlich arbeitenden Traumatherapeut_innen kostenfreie Supervisionen anzubieten und sie damit in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Die Ausbildung ist für die Teilnehmer_innen kostenfrei. Auch die Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung werden vom Projekt übernommen.

Teilnahmevoraussetzungen:

  • Hochschulabschluss (nachgewiesen durch Abschlusszeugnis)
  • mindestens 500 nachgewiesene Stunden in therapeutischen Zusatzausbildungen (z.B. Psychodrama, Gestalttherapie, Gesprächstherapie usw.) (nachgewiesen durch Zertifikate)
  • mindestens 3 Jahre Berufserfahrung im therapeutischen oder beratenden Bereich (mit mindestens 30 Wochenstunden) (nachgewiesen durch Arbeitszeugnisse und Empfehlungsschreiben (mit konkreten Ansprechpersonen und Kontaktadressen), die den Arbeitszeitraum abdecken)
  • Nachweisbares zivilgesellschaftliches Engagement im Bereich der Hilfe zu kriegsbedingten Traumata (z.B. mit Binnenflüchtlingen, Kriegsrückkehrern, Helfern etc.) (nachgewiesen durch 3 Referenzen von zivilgesellschaftlichen Organisationen)
  • Die Bereitschaft im Rahmen der Ausbildung 20 Supervisionssitzungen kostenlos anzubieten.
  • Die Absicht weiterhin nach der Ausbildung aktiv als Supervisor tätig zu sein und für ehrenamtliche engagierte Traumatherapeut_innen kostenlose Supervision in gewissem Umfang anzubieten.
  • Die zeitliche Möglichkeit an allen Lehrveranstaltungen teilnehmen zu können.

Es wird erwartet, dass an allen 6 Modulen teilgenommen wird, die geforderten Leistungen erbracht werden und im Anschluss an die Ausbildung das erworbene Wissen gemeinnützig eingesetzt wird. Bei erfolgreicher Teilnahme an der Ausbildung und der Erfüllung aller hier genannten Vorraussetzungen wird ein Zertifikat über die Ausbildung zum/r klinischen Supervisor/in vom „Berliner Zentrum für Überleben (ehemals BZFO)“ erteilt.

Zertifikatsvorraussetzungen:

  • Die Ausbildung erfolgt über ,5 Jahren in 6 Ausbildungmodulen zu je 5 Tagen in Kiev (Anreise und Abreise jeweils einen Tag vor- und einen Tag nachher)
  • Es darf nicht mehr als 4 Tage gefehlt werden. Diese Fehltage dürfen nicht alle in einem Modul liegen.
  • Durchführung von mindestens 20 (kostenfreien) Supervisionssitzungen a 90 Minuten für ehrenamtlich engagierte Traumtherapeut_innen (Einzelberatung oder Fall-, Team- oder Gruppensupervision) im Zeitraum der Ausbildung

Zum Ende der Ausbildung muss eine schriftliche Arbeit im Umfang von 5 – 7 Seiten vorgelegt werden, in der die Beherrschung des neu erlernten Wissens und der Methoden schriftlich nachgewiesen wird: Hypothesenbildung und Analyse eines praktischen Arbeitsbeispiels mit theoretischer Fundierung bzw. das gleichzeitig theoretisch belegt wird.
Werden die oben genannten Anforderungen erfüllt, erfolgt die Vergabe des Zertifikates.

Termine und Ausbildungsprogramm

Modul : 28..207 – .2.207 (Dozentinnen: Nora Balke und Katharina Larondelle)
– Was ist klinische Supervision und welche Formen gibt es
– Ethische Fragen in der Supervision
– Vertragsgestaltung und Vertragsgespräche
– Das erste Sondierungsgespräch
– Erlernen der Aufgaben und Funktionen der Supervision nach Elizabeth Holloway

Modul 2: 28.4.207 – 2.5.207 (Dozent_innen: Katharina Larondelle und Ton Haans)
– Unterschiede: Therapie, Supervision, Beratung
– Die strukturierte Supervisionsmethode nach Lansen/Haans
– Einbeziehen des Gelernten (E.Holloway) aus dem vorigen Modul
– Übungen in Einzel-, Team- und Gruppensupervision
– Erste Lehrsupervisionen in Kleingruppen

Modul 3: 8.7.207 – 4.7.207 (Dozentinnen: Nora Balke und Katharina Larondelle)
– Wiederholung des Gelernten
– Methodenvielfalt in der Supervision
– Interkulturelle Supervision
– Supervision mit Therapeut_innen und Helfern von geflüchteten und traumatisierten Menschen
– Psychohygiene bei Helfern
– Lehrsupervision in Kleingruppen

Modul 4: 0..207 – 4..207 (Dozentinnen: Romy Brock und Nora Balke)
– Organisationsberatung in Abgrenzung zu Supervision
– Theorien zu Veränderungen in Organisationen
– Arbeit mit Widerstand
– Methoden für Großgruppen
– Lehrsupervision in Kleingruppen

Modul 5: Termin wird noch festgelegt nach Absprache (Dozent_innen: Nora Balke und Ton Haans)
– Dynamische Prozesse in Teams
– Umgang mit schwierigen dynamischen Prozessen in Teams
– Fallsupervision mit schwierigen Teams
– Lehrsupervision in Kleingruppen

Modul 6: Termin wird noch festgelegt nach Absprache (Dozentinnen: Katharina Larondelle und Nora Balke)
– Wiederholung und Vertiefung des Gelernten
– Diskussion der Abschlussarbeiten
– Vergabe der Zertifikate
– Lehrsupervision in Kleingruppen

In jedem Modul werden theoretische Überlegungen vorgestellt und diskutiert. Eigene Erfahrungen werden im Rollenspiel analysiert und anschauliche Beispiele in Simulationsübungen dargestellt. In Kleingruppen wird das Erlernte geübt und reflektiert. Theoretische Inhalte wechseln sich ab mit praktischen Übungen.

Teil der Ausbildung sind 0 Lehrsupervisionsstunden während der Modultage, die in Kleingruppen erfolgen.

Bewerbungen:

Bewerbungen, inklusive der nachfolgend genannten Unterlagen, können bis zum 8. Dezember 206 unter folgendem Link eingereicht werden (Link siehe russische und ukrainische Ausschreibung).

Einzureichende Unterlagen:
– Hochschulzeugnis
– Zertifikate, die 500 Stunden psychotherapeutischer Ausbildungen nachweisen
– Arbeitszeugnisse und Empfehlungsschreiben (mit Telefonnummer und E-Mailkontakt), die die berufliche und zivilgesellschaftliche Tätigkeit im therapeutischen Bereich nachweisen
– 3 Empfehlungsschreiben von drei verschiedenen NGOs, die das zivilgesellschaftliche Engagement nachweisen
– Lebenslauf
– Beschreibung des bisherigen und aktuellen zivilgesellschaftlichen Engagements in einem extra Dokument