„Ich höre dich“: In Zaporizhzhya wird mit Hilfe vom Forumtheater gegenseitiges Hören gelehrt

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„Was kannst Du tun, um den Weltfrieden zu fördern? – Geh heim und liebe Deine Familie!“, so die Sentenz von Mutter Teresa, die zum Teil, könnte man sagen, als Motto des von uns geförderten Kleinprojektes „Ich höre dich“ gilt, welches in der Stadt Zaporizhzhya und dem dazugehörigen Gebiet aktuell realisiert wird.

Mit der Unterstützung von Kooperationspartnern wird das Kleinprojekt vom Kommunikationszentrum „Ladony“ durchgeführt und im Rahmen unserer Schulungsreihe „Forumtheater in der Dialog-, Friedensarbeit und Mediation„, zusammen mit den anderen fünf Projekten, finanziell gefördert und fachlich unterstützt.

Bereits am . April wurde das Projekt in Zaporizhzhya auf einer Pressekonferenz präsentiert und auch das Kommunikationszentrum „Ladony“ sowie dessen Kooperationspartner vorgestellt. Bei der Presskonferenz war zudem eine Vertreterin des Fachbereichs Kultur und Tourismus des Gebiets Zaporizhzhya anwesend, die dem Projekt im Namen der lokalen Regierung Unterstützung sowie das Interesse an der Umsetzung des Projekts in der Region zusicherte.

Das Ziel des Kleinprojektes ist die gemeinsame Suche nach Lösungen für die verschiedenen Kriegsfolgekonflikte, die innerhalb der ukrainischen Gesellschaft entstehen, wie beispielsweise die Konflikte zwischen Binnengeflüchteten und ehemaligen und derzeitigen Kriegsteilnehmern einerseits und der lokalen Bevölkerung andererseits.

Die zentrale Methode, die im Projekt „Ich höre Dich“ für die Konfliktbearbeitung und Dialogarbeit angewandt wird, ist die Methode des Forumtheaters. Im Rahmen unserer Schulungsreihe wird diese  als Methode zur Dialoginitiierung, Mediation und Konfliktlösung vermittelt. Larissa Golowko, Leiterin des Kleinprojekts ist eine der Teilnehmer_Innen unserer Schulungsreihe und setzt das hier erworbene Wissen und die Methodik mit ihrem, von uns geförderten Kleinprojekt, nun in die Tat um. Fachlich unterstützt wird sie hierbei durch unsere russischen und ukrainischen Seminarleiterinnen Inna Ayrapetyan und Vladislava Kryschnaja.

Larissa Golowko formuliert die Aufgabe ihres Kleinprojektes wie folgt: „Es ist uns wichtig, den Teilnehmenden und Zuschauern zu zeigen, wie groß die Bedeutung von Kommunikation und von Dialog gerade innerhalb der Familien ist und wie wichtig es ist, einander zu hören, um eine Chance zu haben, die bestehenden Konflikte zu lösen“. Den Schwerpunkt des Projekts bildet vor allem die Lösung von Familienkonflikten, die in den Familien der Binnenflüchtlinge und den Familien ehemaliger Kriegsteilnehmer entfachen. Außerdem ist ein Schwerpunkt des Projektes die Beziehung von Vertretern dieser zwei Gruppen mit der lokalen Gesellschaft, da diese häufig von Vorurteilen und Konflikten geprägt ist.

Das Thema „Familienkonflikte“ wurde nicht zufällig gewählt: Larissa Golowko und die an der Erarbeitung der Szenarien beteiligten Teilnehmer_Innen sind überzeugt, dass jeder Mensch, der Mitglied einer Familie ist (als Ehefrau, Tochter, Bruder, Vater, Mutter usw.), lernen sollte, die Konflikte auch innerhalb der Familien zu lösen, einander in schwierigen Situationen zu unterstützen und die richtigen Worte für den Dialog und für einen Kompromiss zu finden.

Wiktorija Pissanez, Direktorin der Gebiets-Jugendbibliothek und zugleich Schauspielerin des Forumtheaters, erklärte in der Pressekonferenz zum Projekt: „Wir haben uns die Familienebene ausgesucht, um kriegsbedingte Konflikte zu demonstrieren und zu lösen, weil wir darin die Möglichkeit sehen, die entstehenden Problemsituationen positiv zu beeinflussen. Wir können den bewaffneten Konflikt in globaler Hinsicht nicht lösen, aber wir können im Rahmen unserer Kompetenzen mit den Familien arbeiten.“

Am 3. April fand die gelungene Premiere der Aufführung „Aus familiären Gründen“ statt. Die Szenen wurden von den Schauspieler_Innen selbst geschrieben und basieren auf den realen Geschichten und Erfahrungen dieser Menschen. Bei der sensiblen Suche nach Lösungen für die aufgezeigten Konflikte halfen die Zuschauer_Innen aktiv mit. Die Premiere fand in der Gebiets-Jugendbibliothek Zaporizhzhya statt, die somit  nicht einfach ‚nur’ eine Heimat für Bücher darstellt, sondern zu einem Ort des Zusammenhalts der Gesellschaft in der Stadt Zaporizhzhya geworden ist.

Thema des Theaterstückes sind die Konflikte zwischen den verschiedenen Mitgliedern einer Familie, die allesamt gezwungen waren, aus dem Gebiet Donezk zu flüchten und in der Wohnung der Mutter des Protagonisten unterzukommen. Es kommt zu einem Generationskonflikt, da sich die autoritäre Mutter des Protagonisten mit allen Kräften gegen die neuen Umstände wehrt und sich gegenüber allen Familienmitgliedern aggressiv verhält. Am meisten unter dieser Situation leidet ihr Sohn, da auf ihm die Verantwortung für seine Familie und das erwartete Kind lastet. Er ist mit finanziellen Probleme konfrontiert und darüber hinaus dem beständigen Druck seiner Mutter und ihren Vorwürfen ausgesetzt.

Bei den Zuschauer_Innen rief dieser Familienkonflikt großes Interesse hervor, nicht nur weil die kriegsbedingte Umsiedlung und die daraus resultierenden psychischen Traumata des Protagonisten in der Aufführung eindringlich dargestellt wurden, sondern insbesondere deshalb, weil derartige Lebenssituationen typisch für das Leben vieler Zuschauer sind. Daher nahmen die Zuschauer_Innen an der Aufführung aktiv teil und suchten mit großem Interesse gemeinsam nach Lösungen für die dargestellten Konflikte.

Insgesamt sind 4 Theatervorstellungen in Zaporizhzhya und der Region geplant. Langfristig planen die Organisatoren, die Arbeit der drei Schauspielgruppen in den Bildungseinrichtungen der Partner des Kleinprojektes in Zaporizhzhya, der Berufsfachschule für Radioelektronik und der Berufsfachschule für Metallurgie, fortzusetzen.